Okay Güler, Alumnus der RUB und Gründer der Cloudyrion GmbH, übernimmt mit seinem Start-up gesellschaftliche Verantwortung und unterstützt junge Talente mit einem Deutschlandstipendium.

„Wir sollten Talente langfristig von dem IT-Security-Standort Metropole Ruhr überzeugen“

Geschäftsführer und Gründer der Cloudyrion GmbH, Okay Güler, im Interview über Leidenschaft als wichtigsten Charakterzug in der IT-Sicherheit, den Bedarf nach Quereinsteiger:innen und internationalen Kräften sowie den richtigen Zeitpunkt zum Gründen.

Die Informatik und damit auch das Thema IT-Sicherheit durchdringt mittlerweile nahezu alle Lebensbereiche und Branchen. Der Bedarf nach Fachkräften ist riesig. Das junge Unternehmen Cloudyrion sieht sich genauso wie bereits etablierte Unternehmen in der Pflicht, den Nachwuchs in der Ausbildung zu unterstützen und lässt mit der Finanzierung eines Deutschlandstipendiums Worten Taten folgen.

Sie haben sich mit der Cloudyrion GmbH dazu entschieden, eine:n Studierende:n durch das Deutschlandstipendium zu fördern. Was ist Ihre Motivation dahinter?
Bei Cloudyrion sind wir der Meinung, dass der gesellschaftliche Einfluss von Unternehmen im Bereich Bildung eine sehr wichtige Rolle spielt. Da sehen wir uns als Start-up genauso in der Verantwortung, Talente mitzugestalten, wie Unternehmen, die bereits auf dem Markt etabliert sind. Das Stipendium ist aber eines von vielen Werkzeugen, die wir nutzen. Daneben setzen wir verstärkt auf Mentoring im Rahmen von Praktika oder Werkstudententätigkeit und bieten den Studierenden wirklich einen Einblick in unser Security by Design-Konzept.

Welche Eigenschaften der Studierenden wollen Sie damit besonders anerkennen und unterstützen?
Ich sehe die IT-Sicherheit sehr leidenschaftlich, daher spielen die hervorragenden Studienleistungen ehrlich gesagt eine sekundäre Rolle. Wir gucken so gut wie gar nicht auf die Noten, sondern eher auf die Inhalte. Was haben die Studierenden zum Beispiel an Seminaren, Praktika oder sonstigen Workshops besucht? Viel wichtiger für uns ist es zu erkennen, dass man sich für die Sache begeistert und sie zum Hobby macht. Im Endeffekt verbringt man einen Großteil seines Lebens mit dieser Tätigkeit. Sie sollte einem Spaß machen, man sollte sich auch außerhalb der Arbeitszeiten und unabhängig von Projekten, an denen man arbeitet, gerne mit dem Thema beschäftigen. Daneben ist die Motivation in dem Bereich sehr wichtig ebenso Engagement in der Security Community: Wir wollen das Erlernte auch mit der Community teilen. Einer unserer Kernpunkte ist, dass der Mensch im Fokus steht und nicht die Technologie. Risikobereitschaft, neue Wege zu gehen ist auch eine Eigenschaft, die wir unterstützen, sonst wären wir jetzt nicht als Start-up unterwegs.

„Was wir aber brauchen, sind holistische Ansätze, welche den Faktor Mensch mehr gewichten.“

Bei Ihnen ist scheinbar die Leidenschaft eine sehr wichtige Charaktereigenschaft. Welche Talente braucht die Branche? Welche Charakterzüge und welches fachliche Wissen werden dringend gesucht?
Die IT-Sicherheit hat zu lange primär die Technologie im Fokus gehabt. Hier rennen wir oft neuen Hypes hinterher. Was wir aber brauchen, sind holistische Ansätze, welche den Faktor Mensch mehr gewichten. Hier spielen in unserem Alltag Fähigkeiten wie Pragmatismus, Empathie, Vertrauen und Überzeugungskraft eine wichtige Rolle. Als Beratende ist es unser Ziel, nicht nur ein spezielles Produkt sicher mitzugestalten, sondern das Team zu coachen, um in Zukunft auch andere Lösungen, gegebenenfalls auch ohne uns, sicher zu entwickeln und zu betreiben.

Auf der fachlichen Ebene sollten sich IT-Sicherheitsspezialisten nicht nur in der Kryptographie, Web- und API-Sicherheit wohlfühlen, sondern sich auch mit Themen wie Cloud- oder Container-Technologien gut auskennen. Sie sollten außerdem in der Lage sein, agile Methoden auszuleben und vor allem sollten DevSecOps (Kofferwort aus Development, Security, Operations, Anm. d. Red.) Methoden bekannt sein. 

Was können oder müssen Unternehmen tun, um Studierende für sich zu begeistern?
Die Digitalisierung betrifft alle Branchen, alle Berufsfelder und alle Altersgruppen. Langfristig müssen wir überlegen, wie wir uns in der IT-Sicherheit aufstellen, um grundsätzlich im internationalen Wettbewerb nicht unterzugehen. Das kann uns nur gelingen, indem wir das Potenzial, insbesondere von Quereinsteigenden, stärker berücksichtigen. Unternehmen und Bildungseinrichtungen können zum Beispiel Mentoring-Programme, Kurse oder Workshops anbieten, um den Einstieg zu erleichtern. Ein Quereinstieg ist herausfordernd für alle Seiten, er braucht mehr Zeit, mehr Geduld. Aber ich bin zuversichtlich, dass beim Erfolg ein enormer Mehrwert für beide Seiten entsteht. Denn oft haben genau diese Quereinsteigenden einen ganz anderen Blick auf die Dinge. Sie kommen vielleicht aus der BWL, aus der Psychologie und da kann man gewisses Know-how miteinander verbinden. Darüber hinaus spielen natürlich auch Talente aus dem Ausland eine wichtige Rolle. Wir Unternehmer:innen sollten in Kooperation mit Bildungseinrichtungen „Work & Study Programme“ anbieten, um Talente nicht nur temporär anzulocken, sodass sie nicht nur hier studieren und nach dem Studium wieder zurückreisen, sondern sie vor allem langfristig von dem IT-Security-Standort Metropole Ruhr zu überzeugen.

Sie haben an der RUB IT-Sicherheit studiert. Was haben Sie dabei gelernt, dass Ihnen im Arbeitsalltag besonders hilft?
Ich habe zeitnah zu Studienbeginn in einem IT Security Unternehmen in Essen angefangen. Damals noch mit der naiven Annahme, ein theoretisch geprägtes Studium mit Praxiserfahrung ergänzen zu müssen. Ich musste dann aber ziemlich schnell überrascht feststellen, dass viele der übermittelten Inhalte sehr praxisrelevant und vor allem zeitgemäß waren. Das hatte ich von einem Bachelorstudiengang gar nicht erwartet. Mir war der Praxisbezug wichtig, um mich nicht zu langweilen. So konnte ich in einigen Fächern das Erlernte auch zeitnah im Arbeitsalltag einbringen. Am liebsten würde ich viele der spannenden Wahlfächer und Praktika, die es gibt, immer noch besuchen. Leider fehlt mir gerade die Zeit dazu, aber früher oder später schaffe ich das hoffentlich wieder.

„Es sind primär persönliche Einstellungen, Motivation und Leidenschaft von Bedeutung.“

Als Gründer können Sie Ihr Team selbst aufbauen, was ist Ihnen dabei wichtig, neben Leidenschaft?
Genau. Leidenschaft ist wie gesagt das Hauptkriterium, sonst funktioniert alles nicht. Das erwarten wir natürlich auch von unseren Mitarbeiter:innen. Sie sollten sich aber auch trauen, Fehler zu machen, daraus zu lernen und die gelernten Erkenntnisse mit anderen zu teilen. Nur so wächst die Community, so wächst unser Mitarbeiterstamm auch inhaltlich und fachlich. Ich denke, anders wird es nicht funktionieren. Auf das technische Know-how legen wir auch nicht besonders viel wert, weil man das immer wieder lernen und auffrischen kann. Es sind primär persönliche Einstellungen, Motivation und Leidenschaft von Bedeutung.

Was würden Sie den Studierenden und Absolvent:innen raten, die überlegen, ein eigenes Unternehmen zu gründen?
Ich hätte mir tatsächlich gewünscht, so etwas vielleicht schon mit Anfang 20, getan zu haben. Das ist eine Erfahrung, die im höheren Alter, aufgrund der familiären oder beruflichen Entwicklung, weitaus herausfordernder werden kann. Junge Studierende haben gegebenenfalls geringere finanzielle Abhängigkeiten, die sie berücksichtigen müssen. Meistens wohnen sie noch in einer kleinen Wohnung oder bei den Eltern, können sich also weitaus mehr trauen.

Ich empfehle auch, schon während des Studiums bei einem Start-Up zu arbeiten. Das ist eine hervorragende Chance, um ein Gefühl für das Entrepreneurship zu bekommen und mal hinter den Kulissen zu schauen. 

Lieber Herr Güler, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Charlotte Schab (Center of Computer Science).